Das intelligente Stromnetz: Wie KI die Energietechnologien von heute revolutioniert
Genau wie Sauerstoff ist das Stromnetz für das moderne Leben unverzichtbar. Häufig werden wir uns dessen aber erst bewusst, wenn Probleme auftreten. Weltweit wird die alternde Netzinfrastruktur durch extreme Wetterereignisse stark in Mitleidenschaft gezogen, was zu Stromausfällen führt, die Gesundheit, Sicherheit und Wirtschaft gefährden. Gleichzeitig setzen eine Reihe weiterer Faktoren den jahrzehntealten Netzen zu. Die Art und Weise, wie Energie erzeugt wird, verändert sich rasant – mehr Wind- und Sonnenenergie, weniger Kohle und fossile Brennstoffe. Dieser Wandel erfordert neue Prozesse und Steuerungsinstrumente. Auch die Frage nach dem „Wer“ verschiebt sich, da Energie mittlerweile nicht mehr nur von den großen Energieunternehmen produziert wird, sondern auch von einer Vielzahl neuer Wettbewerber und Prosumenten (Verbraucher, die Energie produzieren).
Und nicht nur die natürlichen Grundlagen verändern sich rasant, auch die Technologie schreitet mit Riesenschritten voran. Cloud-Technologien für künstliche Intelligenz (KI) – wie Machine Learning, Datenanalyse und das Internet der Dinge (IoT) – befördern die Entwicklung smarter Stromnetze, die eine weitaus komplexere Stromerzeugung und ‑verteilung bewältigen können. Für diejenigen, die diese Technologien zu nutzen wissen, eröffnen sich in der vielfältigen Energielandschaft große Chancen.
Was ist ein Prosument?
Prosument ist ein eingedeutschtes Kofferwort aus den englischen Begriffen „Producer“ (Produzent) und „Consumer“ (Verbraucher). Energieprosumenten bleiben in der Regel an das zentrale Stromnetz angeschlossen. Sie sind jedoch auch in der Lage, Energie zu erzeugen und sogar zu speichern – in der Regel mit Photovoltaik-Solarmodulen und Elektrofahrzeugbatterien.
Je nach erzeugter Strommenge kann diese Energie entweder zur Verrechnung mit den monatlichen Kosten verwendet oder als Überschuss an Energieversorger oder andere Energieverteilungsdienste verkauft werden. Dieses Modell kann sowohl auf private als auch gewerbliche Prosumenten angewendet werden, wobei immer mehr Unternehmen ihre Solaranlagen und Elektrofahrzeugflotten an das Stromnetz anschließen.
Was ist ein intelligentes Stromnetz?
Ein intelligentes Stromnetz (Smart Grid) ist ein Netzwerk, das Energieverteilung und digitale Kommunikationstechnologie in einem bidirektionalen Strom- und Datenfluss integriert. Dies ermöglicht Versorgungsunternehmen, die Erzeugung, Übertragung und Verteilung von Strom zu optimieren. Außerdem können Verbraucher von den Erkenntnissen profitieren, die sich aus all diesen Daten ableiten lassen. So erhalten sie ein besseres Verständnis für ihren Energieverbrauch und sogar für die Energie, die sie beispielsweise über Solarzellen und Elektrofahrzeugbatterien produzieren bzw. speichern.
Was ist der Unterschied zwischen einem herkömmlichen Stromnetz und einem intelligenten Stromnetz?
Der Hauptunterschied zwischen herkömmlichen Systemen und intelligenten Netzen liegt in der Möglichkeit, Informationen in beide Richtungen über das Netz auszutauschen, also von Versorgungsunternehmen zu Verbrauchern und umgekehrt. Folgende Hauptmerkmale zeichnen ein intelligentes Stromnetz aus:
- Technologie: KI, Cloud und digitale Technologien ermöglichen die Kommunikation aller Geräte und Anlagen innerhalb des Netzes und unterstützen so eine bessere Steuerung und Selbstregulierung.
- Verteilung: Energie, die von Prosumenten und durch erneuerbare Energiequellen wie Sonne oder Wind erzeugt wird, kann intermittierend und ungleichmäßig sein. Intelligente Netztechnologien helfen dabei, die Energie aus solchen Quellen zu koordinieren, zu speichern und gleichmäßig und zuverlässig zu verteilen.
- Erzeugung: Vorausschauende Analysen in intelligenten Systemen ermöglichen es, Spitzenlasten vorherzusagen und auf mehrere Kraftwerke und Umspannwerke zu verteilen.
- Sensoren: IoT-Sensoren im gesamten Netzwerk können dabei helfen, Risiken frühzeitig zu erkennen, die Stromversorgung umzuverteilen, um Ausfälle zu reduzieren, und Lasten auszugleichen, ohne dass ein direktes Eingreifen des Bedienpersonals erforderlich ist.
- Selbstreparatur und vorausschauende Instandhaltung: Sensoren können auch dazu verwendet werden, mechanische Probleme zu erkennen, einfache Fehler zu beheben und Reparaturen durchzuführen, sodass Technikkräfte nur bei Bedarf benachrichtigt werden – bevor tatsächlich etwas ausfällt.
- Kundenwahl: Mehr Energieversorger, Genossenschaften und Kleinststromerzeuger können sich dem Netz anschließen, sodass Verbraucher mehr Auswahlmöglichkeiten hinsichtlich ihrer Energieversorgung haben.
Einsatzmöglichkeiten von KI in intelligenten Energielösungen: Die Perspektive der Versorgungswirtschaft
Künstliche Intelligenz bewertet die Umgebung und ergreift Maßnahmen, um ein bestimmtes Ziel zu maximieren, sie ist also der treibende Agent hinter intelligenten Netzen. KI ist von grundlegender Bedeutung für die Integration erneuerbarer Energien, die Stabilisierung der Energienetze und die Verringerung der finanziellen Risiken, die mit einer instabilen Infrastruktur verbunden sind.
Beispielsweise hat KI aufgrund ihrer Selbstlernfähigkeit, Anpassungsfähigkeit und Rechenleistung enormes Potenzial, um die Schwankungen bei erneuerbaren Energien auszugleichen. Das oft in Form einer „Entenkurve“ dargestellte Ungleichgewicht zwischen Produktions- und Verbrauchsspitzen erschwert die Steuerung dieser Energiequellen. Der Einsatz von KI in intelligenten Stromnetzen wird dazu beitragen, die Balance zu verbessern und diese Herausforderung zu bewältigen.
Intelligente Netztechnologien tragen dazu bei, die Aktivitäten im Versorgungssektor transparenter und wettbewerbsfähiger zu gestalten. Zu den Anwendungsbereichen von KI und Machine Learning in intelligenten Stromnetzen gehören:
- Agilität und Resilienz: Wenn erneuerbare Energien von neuen Partnern wie Genossenschaften und Prosumenten erzeugt werden, sind sie oft intermittierend und variabel. Sensoren und Automatisierung können genutzt werden, um anfällige Teile des Netzes zu identifizieren und mit automatischer Umleitung zu reagieren – dabei wird überschüssige Energie in Spitzenzeiten gespeichert und in Zeiten mit geringem Stromverbrauch wieder eingespeist.
- Präzisere Prognosen: Der Versorgungssektor ist aufgrund von Verbrauchsspitzen mit starken Preisschwankungen konfrontiert. Mit vorausschauenden Analysen können Stromlasten und der Anteil erneuerbarer Energien zuverlässiger prognostiziert werden. Durch die Kombination von Daten aus einer erweiterten Messinfrastruktur (Advanced Metering Infrastructure, AMI) mit KI sind die Vorhersagen genauer als bei herkömmlichen Ansätzen.
- Verbesserte Ausfallmeldungen: Das Netzwerk aus Sensoren, Zählern und Aktoren in einem intelligenten Stromnetz kann ein kurzes Signal mit der Bezeichnung „Last Gasp“ senden, das Datum und Uhrzeit enthält, um einen Stromausfall aufgrund einer teilweisen oder vollständigen Unterbrechung der Stromversorgung anzuzeigen. Darüber hinaus können dank der Vorhersagefähigkeiten der KI und der Echtzeitdaten intelligenter Zähler die Betreiber unmittelbar vor Ausfällen benachrichtigt werden. Diese Systeme können dabei sogar zwischen einzelnen Geräten, Straßen und Zonen unterscheiden.
- Optimierte Leistungsausbeute: Der Einsatz von KI-gestützten Sensornetzwerken in den Erzeugungsstufen kann auch zur Optimierung der Leistungsabgabe genutzt werden. In ähnlicher Weise profitiert auch die Solarenergie von KI-Tools, die durch die Vorhersage der Sonneneinstrahlung die Produktivität steigern.
- Verbesserte automatische Umschaltung: Die Fähigkeit von KI-Tools, Netzschwankungen vorherzusagen und zwischen einer kurzen Stromunterbrechung und einem vollständigen Ausfall zu unterscheiden, wird bald eine Automatisierung der Umschaltprotokolle ermöglichen. Dadurch können Versorgungsunternehmen Energie umleiten oder betroffene Gebiete isolieren, bevor schwere Schäden entstehen oder der Ausfall auf andere Gebiete übergreift. Diese Tools bilden eine Verteidigungslinie, die die Sicherheit des für die Isolierung und Reparatur von Fehlern erforderlichen Equipments gewährleistet.
- Flexiblere Laststeuerung (Demand Side Management, DSM): Spitzen im Energiebedarf stellen Versorgungsunternehmen vor große Herausforderungen. Der Einsatz von KI und intelligenten Zählern in Haushalten und Büros kann bei der Planung, Ausführung und Überwachung des Energiebedarfs helfen, damit die Versorger diesen bedienen können. Dies kann erhebliche Auswirkungen auf den Stromverbrauch haben: Laut Feststellung der US-amerikanische Federal Energy Regulatory Commission können beispielsweise durch Bedarfssteuerung die Spitzenlasten um bis zu 150 GW reduziert werden. In ähnlicher Weise hat das Electric Power Research Institute (EPRI) geschätzt, dass diese intelligenten Tools bis 2030 zu einer Reduzierung der Energiespitzen im Sommer um 175 GW führen könnten.
- Verbesserte Sicherheit: Cybersicherheit ist ein zentrales Anliegen aller Branchen. Die zunehmende Anzahl und Komplexität von Cyberangriffen stellt ein Risiko für bestehende und neue Stromnetze dar. KI-Tools können dieses Risiko verringern, indem sie Netzwerkangriffe, Malware und Intrusionen erkennen und die Netzwerksicherheit für Stromversorgungssysteme gewährleisten. Darüber hinaus können andere Technologien wie die Blockchain transparente, manipulationssichere und sichere Systeme bieten, die neuartige Geschäftslösungen ermöglichen, insbesondere in Kombination mit intelligenten Verträgen (Smart Contracts).
Einsatzmöglichkeiten von KI in intelligenten Energielösungen: Die Perspektive der Verbraucher
Aktuelle Umfragen aus dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten zeigen, dass die Kunden von Versorgungsunternehmen nicht sonderlich zufrieden sind. Angesichts der zunehmenden Zahl von Energieversorgern und Prosumenten müssen Versorgungsunternehmen intelligente Lösungen einsetzen, um eine bessere Kundenbindung und ‑zufriedenheit zu erreichen. Im Folgenden finden Sie einige Beispiele dafür, wie intelligente Netztechnologien zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit beitragen können:
- Geringere Kosten: Dank KI-gestütztem intelligenten Netzmanagement und intelligenten Zählern können Kunden ihren Stromverbrauch stündlich abrufen. So sehen sie nicht nur, wann und wo sie am meisten Energie verbrauchen, sondern erhalten auch personalisierte Tipps und Vorschläge zur Optimierung ihrer täglichen Routinen, um den Verbrauch in Spitzenzeiten zu senken. Außerdem hilft es Prosumenten dabei, die Erzeugung der von ihnen verkauften Energie zu steuern, um so ihre Kosten weiter zu senken.
- Verbesserte Nachhaltigkeit und Transparenz: Daten aus intelligenten Stromnetzen können Kunden dabei helfen, besser zu verstehen, woher ihre Energie stammt. Dies erhöht ihr Engagement und trägt zur Demokratisierung des Stromnetzes bei. Dadurch können sie neue Perspektiven in Bezug auf die Energieversorgung gewinnen und nachhaltigere Optionen wählen.
- Weniger Ausfälle: Wie bereits erwähnt, können KI-Tools dazu beitragen, die Anzahl der Ausfälle zu reduzieren und deren Auswirkungen sowohl für Privatkunden als auch für Gewerbekunden zu mindern. Dies bedeutet mehr Sicherheit und Vertrauen für die Verbraucher – insbesondere angesichts von Wetterereignissen und Rekordtemperaturen, die zu Stromausfällen und anderen Störungen führen können.
Kürzlich kündigte ein britischer Netzbetreiber ein Pilotprojekt an, bei dem Daten von intelligenten Zählern genutzt werden sollen, um Verbrauchern zu helfen, ihr Energiemanagement zu verbessern, die Netzauslastung zu optimieren und CO2-Emissionen zu reduzieren. Der Test könnte den Kunden Einsparungen in Höhe von mehreren Millionen Pfund bringen und möglicherweise Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen aus dem jährlichen CO2-Fußabdruck des Vereinigten Königreichs einsparen. Dies ist nur ein Beispiel für die potenziellen Vorteile intelligenter Stromnetze für Kunden und die Umwelt.
Die Bedeutung von Big Data im Energiesektor
Sowohl aus Sicht der Kunden als auch aus Sicht der Versorgungsunternehmen kommt es nicht nur auf die Fähigkeit dieser Technologien an, große und unterschiedliche Mengen an Big Data zu sammeln und zu verwalten, sondern auch darauf, all diese Daten zu nutzen, zu verstehen und zur Optimierung des Stromverbrauchs und zur Steuerung des Betriebs einzusetzen. Big Data ist der Schlüssel zum Erfolg:
- Bessere Integration erneuerbarer und alternativer Energien durch Versorgungsunternehmen, indem sie lernen, Schwankungen vorherzusagen und zu steuern und eine Vielzahl kleiner Einspeisungen von Prosumenten auszugleichen.
- Schutz von Verbrauchern durch Vorhersage von Ausfällen und Umleitung von Ressourcen in Sekundenbruchteilen – und nicht erst dann, wenn es bereits zum Ausfall gekommen ist.
- Einsparungen für Unternehmen und Verbraucher durch digitales Lernen aus vergangenen Aktivitäten und Nutzung dieser Erkenntnisse für eine bessere Verwaltung und Automatisierung der täglichen Aktivitäten.
- Bereitstellung schneller, handlungsrelevanter Erkenntnisse, mit denen Versorgungsunternehmen in einem zunehmend wettbewerbsorientierten Umfeld sichere und schnelle Entscheidungen treffen können.
Wie sich die Versorgungswirtschaft von heute auf das intelligente Stromnetz der Zukunft vorbereitet
Es steht außer Frage, dass die Zukunft der Energieversorgung in einer dezentraleren, flexibleren und nachhaltigeren Stromversorgung liegt. Aber wir sprechen hier von einer globalen Branche, die über ein Jahrhundert alt ist – und oft auf fast ebenso alte Infrastrukturen angewiesen ist, um Milliarden von Menschen und ihre sich schnell ändernden Anforderungen zu bedienen.
Weitere Herausforderungen sind komplexe regulatorische Änderungen, das Aufkommen von Prosumenten und neue Start-ups, die in deregulierten Regionen entstehen. Wie jede geschäftliche und digitale Transformation beginnt auch die Umstellung auf ein intelligenteres Netzmanagement mit einigen vorsichtigen Schritten, bevor sie richtig in Gang kommt. Technologien für den Versorgungssektor sind zweifellos die treibende Kraft hinter der Entwicklung in diesem Sektor. Damit jedoch sinnvolle Veränderungen erfolgen können, müssen Versorgungsunternehmen eine starke Kommunikation, Kundeninteraktion und Change-Management-Pläne etablieren. Dazu zählen:
- Vermittlung einer Vision des intelligenten Stromnetzes und Abstimmung der Teams und Stakeholder darauf
- Stärkung der Verbraucheraufklärung über die bevorstehenden Veränderungen und Chancen
- Schaffung einer Win-Win-Situation für Verbraucher, Prosumenten und potenzielle Vertriebspartner
- Entwicklung von Kennzahlen zur Überwachung der Fortschritte bei der Umsetzung und Wirksamkeit intelligenter Netze
- Berücksichtigung der Kundenerfahrung und Kundenbindung angesichts des zusätzlichen Wettbewerbs und der Dezentralisierung eines intelligenten Energiemarktes
Der erste Schritt auf diesem Weg besteht darin, sich mit Teamverantwortlichen und Spezialist:innen in Ihrem gesamten Unternehmen auszutauschen, um Silos aufzubrechen und die darin oft verborgenen Informationsschätze zu heben. Überlegen Sie sich anschließend, wie Sie intelligente Technologien einsetzen können, um Ihr Unternehmen voranzubringen.
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