Was ist nachfragegesteuerte Materialbedarfsplanung (DDMRP)?

DDMRP ist ein Konzept für Materialsteuerung und -nachschub, das die herkömmliche Materialbedarfsplanung optimiert, weil in Echtzeit auf Bedarfsschwankungen reagiert wird.

Nachfragegesteuerte Materialbedarfsplanung im Überblick

Die Materialbedarfsplanung (Material Requirements Planning oder kurz MRP) ist seit über 50 Jahren die Basis für Fertigungssoftware-Systeme. MRP ist die Berechnungs-Engine. Sie legt fest, welche Materialien und Teile bestellt werden müssen, wie viele davon erforderlich sind, wann sie benötigt werden und wann mit der Arbeit begonnen werden muss, damit die Produkte bis zum prognostizierten Fertigstellungsdatum verfügbar sind.

 

Die herkömmliche MRP ist grundsätzlich prognosegesteuert. Allerdings wissen wir über Prognosen, dass sie die Zukunft nicht immer genau vorhersagen können, da sie auf vergangenen Aktivitäten beruhen. Zwar können wir die Schwankungsbreite durch Verfahrensdisziplin, starke Qualitätsprozesse, zuverlässige Vertriebspartner und andere Faktoren in beschränktem Maß kontrollieren, aber einige Unsicherheiten bleiben dennoch bestehen. Es wird Überraschungen geben – und Engpässe.

 

Die Lieferkette von heute – mit größerer Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Unklarheit – verlangt nach zusätzlichen Planungsfunktionen, die auf Bedarfsschwankungen in Echtzeit reagieren. Genau hier kommt die nachfragegesteuerte Materialbedarfsplanung (DDMRP) ins Spiel.

Was bedeutet DDMRP?

DDMRP steht für Demand-Driven Material Requirements Planning, also nachfragegesteuerte Materialbedarfsplanung oder auch bedarfsgesteuerte Nachschubplanung. Hierbei handelt es sich um einen Ansatz zur Steuerung und Wiederbeschaffung von Material, der den Funktionsumfang des herkömmlichen MRP erweitert. Da DDMRP auf der Nachfrage basiert, reagiert es definitionsgemäß sensibler und schneller auf die Schwankungen bei Bedarf und Angebot, die Engpässe, Produktionsunterbrechungen und Chaos in Fertigungsanlagen verursachen können.

 

DDMRP ist kein Ersatz für die Materialbedarfsplanung, sondern eine optionale Erweiterung. Für viele Hersteller ist die Materialbedarfsplanung ausreichend. DDMRP hilft jedoch dabei, dass sie besser funktioniert, insbesondere in einem Umfeld mit schwankenden Bedingungen.

Wie funktioniert die herkömmliche Materialbedarfsplanung?

Die herkömmliche Materialbedarfsplanung eignet sich hervorragend für die Planung der Materialien und Ressourcen, die für die Fertigung eines Produkts benötigt werden, sofern die Prognose genau ist und innerhalb der für die Fertigung des Produkts vorgesehenen Gesamtvorlaufzeit keine unerwarteten Bedarfsänderungen auftreten. Leider ändern sich die Bedingungen in einer dynamischen Umgebung schnell.

 

Bei Nachfrageschwankungen kann die Materialbedarfsplanung das Risiko dahingehend minimieren, dass mithilfe einer Reihe von Annahmen und Formeln zusätzliche Bestände in der gesamten Lieferkette bereitgestellt werden. Wenn das Unerwartete eintritt, kann ein Teil des zusätzlichen Pufferbestands verbraucht werden. Der zusätzliche Bestand verhindert zwar Engpässe, aber nur teilweise; diese können immer noch auftreten. Zusätzliche Bestände binden zudem Barmittel und Lagerfläche.

 

Wenn die Materialbedarfsplanung einen drohenden Engpass erkennt – bei Verbrauch des Pufferbestands –, werden Nutzende benachrichtigt, um die Auffüllung dieses Bestands zu beschleunigen und eine Reihe manueller Vorgänge auszulösen.

 

Das eigentliche Problem ist die durch ungenaue Prognosen und Schwankungen in der Lieferkette verursachte Schwankungsbreite, z. B. durch verspätete Zugänge, verzögerte Auftragsabschlüsse, zu viel Ausschuss, Qualitätsprobleme und ungenaue Datensätze. Hersteller wissen zwar, dass sich Schwankungen nicht vollständig vermeiden lassen, sind aber stets daran interessiert, zusätzliche Bestände zu reduzieren und weniger Engpässe zu erleben. DDMRP bietet eine Erweiterung der herkömmlichen Materialbedarfsplanung, die genau das ermöglicht.

Wie funktioniert die nachfragegesteuerte Materialbedarfsplanung?

Während MRP eine „Push“-Technik ist, bei der Bestand basierend auf dem prognostizierten Bedarf in das System übertragen wird, agiert DDMRP anders.

 

Bei DDMRP wird die Schwankungsbreite durch den Einsatz einer „Pull“-Strategie für Materialien im Rahmen eines nachfragegesteuerten Ansatzes aus der Gleichung genommen. Anstatt sich auf die Genauigkeit der Prognosen zu verlassen – und Puffer für Schwankungen bei Bedarf und Nachschub vorzuhalten –, verfolgt DDMRP den tatsächlichen Verbrauch und verwaltet den Nachschub über ein einfaches visuelles System. Der Pufferbestand wird nur verwendet, um die Verfügbarkeit wichtiger Artikel sicherzustellen, die als strategisch bedeutsam erachtet werden. Durch die Verwendung von DDMRP werden die Bestände insgesamt reduziert und Engpässe verringert.

 

DDMRP basiert auf einer Methodik, die sich am besten mit „Positionieren, Schützen und Abrufen“ beschreiben lässt.

Schaubild des DDMRP-Prozesses

  • Positionieren: Stücklisten werden analysiert, um strategische Elemente, wie Materialien oder Komponenten, an kritischen Stellen innerhalb der Strukturen zu identifizieren. In Anlehnung an die Methode der „Theory of Constraints“ –, bei der kritische Ressourcen, sogenannte „Constraints“, Produktionsbeschränkungen bestimmen –, müssen diese Schlüsselmaterialien vor allen anderen Komponenten im Mittelpunkt der Kontrolle stehen.

  • Schützen: Die Verfügbarkeit dieser kritischen Güter wird auch durch die Verwendung von Pufferbeständen sichergestellt. Dieser Pufferbestand wird jedoch nicht als Teil der ursprünglichen MRP-Planungsformel eingesetzt, sondern wird bei Bedarf dynamisch aufgefüllt.

  • Abrufen: Pufferbestände werden mithilfe einer innovativen Pull-Technik verwaltet. Sie überwacht die Bestände kontinuierlich und verwendet visuelle Hinweise, um den Puffer innerhalb eines bestimmten Bereichs zu halten.

 

Dies sind die einzelnen Schritte des Prozesses:

  1. Identifizieren der strategischen Güter, die über DDMRP verwaltet werden sollen
  2. Festlegen der Zielbestandsebene (Puffer) und der Parameter (auslösende Zonen für die Wiederbeschaffung)
  3. Auffüllen mithilfe der Pull-Signale, die durch farbige Indikatoren dargestellt werden
  4. Planen mit Funktionen innerhalb von DDMRP
  5. Zusammenarbeiten mit Lieferkettenpartnern unter Verwendung von Nachschubzonen/-auslösern zur Ausführung des Plans

DDMRP-Anwender rufen kontrollierten Bestand an strategisch kritischen Punkten ab, um Engpässe zu vermeiden und dadurch den Produktionsplan zu schützen.

Wie Sie sehen, ziehen DDMRP-Anwender den kontrollierten Bestand an strategische Positionen, um den Produktionsplan durch Vermeidung von Engpässen zu schützen. DDMRP erfordert zudem weniger Bestand, da nur strategische Artikel gepuffert werden. Denn mit der Pull-Technik wird sichergestellt, dass für diese strategischen Positionen die richtige Bestandsmenge vorhanden ist. Mit den visuellen Ausführungshinweisen lässt sich ein einfacher und dynamischer Nachschubprozess realisieren, der ohne Weiteres implementiert und gepflegt werden kann. Die Materialbedarfsplanung gehört aber immer noch dazu, da sie ihre normale Funktion für nicht strategische Elemente behält und im Planungsprozess mit DDMRP koordiniert.

DDMRP und MRP im Vergleich

Im Folgenden werden die Unterschiede zwischen DDRMP und MRP zusammengefasst und ihre komplementären Beziehungen veranschaulicht:

MRP
DDMRP
Definition
Ein wesentlicher Bestandteil des Material- und Ressourcenplanungssystems
Eine optionale Erweiterung der MRP-basierten Planung, um den Nachschub mit dem Bedarf zu verknüpfen
Primärer Treiber
Prognose/Absatz- und Produktionsplanung (Push)
Tatsächliche Nutzung nach Bedarf (Pull)
Planungszeitraum
Gesteuert durch Prognosen zur kumulierten Beschaffungszeit und darüber hinaus
Direkt an Echtzeitbestand, Verbrauch und vordefinierte Bestandsaufbaustrategien gebunden – auf Grundlage der Nachfrage
Ideale Umgebung
Stabil mit vorhersehbarer Nachfrage
Volatile Umgebung
Abhängigkeiten
Absatz- und Produktionsplanung, Prognosegenauigkeit und Stabilität
Materialbedarfsplanung und ein visuelles Steuerungssystem für den Nachschub

Wie hat sich die DDMRP-Software entwickelt?

DDMRP wurde von einigen der führenden und innovativsten Köpfe auf dem Gebiet des traditionellen Manufacturing Management, des Lean Manufacturing und der Theory of Constraints entwickelt und verfeinert. Nach Prüfung und Feinabstimmung des Prozesses an Fertigungsstandorten auf der ganzen Welt gründete das Team das Demand Driven Institute mit folgenden Zielen:

  • DDMRP allgemein bekanntmachen

  • Fertigungsfachkräfte bei der Implementierung und Verwendung des Verfahrens informieren und zertifizieren

  • Mit Softwareentwickler:innen zusammenarbeiten, um DDMRP in ihre ERP-Produkte zu integrieren

  • Überprüfen, ob die Funktionen den DDMRP-Richtlinien und ‑Standards entsprechen

Erste Schritte mit DDMRP-Software

Unternehmen setzen DDMRP-Software auf zwei Arten ein: als Teil eines ERP-Systems oder als Teil einer Supply-Chain-Planungslösung.

 

Die DDMRP-Funktionen in einem modernen Cloud-ERP-System (wie SAP S/4HANA Cloud Public Edition) sind robust genug, um die Anforderungen der meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen zu erfüllen. Unternehmen mit mehreren Werken und Lieferanten benötigen jedoch möglicherweise umfangreichere Funktionen. In solchen Fällen bedarf es einer cloudbasierten, erstklassigen Supply-Chain-Planungslösung (z. B. SAP Integrated Business Planning for Supply Chain). Diese Lösungen sind in der Regel in das ERP-System integriert und bieten weitere Aspekte der Planung wie Sales and Operations Planning (S&OP), Bedarfsprognosen, Bestandsplanung und Was-wäre-wenn-Szenarioanalysen.

 

Unabhängig davon, ob Sie DDMRP über ERP oder eine Supply-Chain-Planungslösung einführen, sollte das gesuchte System Funktionen bieten, die maschinelles Lernen, Echtzeitvisualisierung und Alerts nutzen, damit Sie schneller auf Unwägbarkeiten im Markt und im Unternehmen reagieren können.

Häufig gestellte Fragen zur nachfragegesteuerten Materialbedarfsplanung

Beim Materialnachschub handelt es sich um den Ersatz verwendeter Teile und Materialien. Ein Unternehmen kann beschließen, für ein bestimmtes Teil einen Vorrat vorzuhalten. Wenn es diese Artikel verbraucht oder verkauft, erreicht es irgendwann einen Punkt, an dem es mehr davon bestellen wird – in der Hoffnung, dass der Ersatz eintrifft, bevor der Vorrat aufgebraucht ist. Es gibt viele Methoden, um die Wiederbeschaffung bzw. den Nachschub zu verwalten.

Die Nachfrage ist die Verwendung oder der Bedarf an einem Artikel oder Produkt. Bei Endartikeln (Produkten) handelt es sich in erster Linie um Kundenbestellungen. Sie können jedoch auch Umlagerungen an einen anderen Standort oder ein anderes Lager, interne Verwendung (als Teil eines Bausatzes oder größeren Produkts), Muster oder Artikel zum Testen umfassen. Der Bedarf an Komponenten und Materialien bezieht sich in erster Linie auf den Einsatz in der Produktion übergeordneter Baugruppen oder Produkte sowie auf Service- oder Ersatzteile. Komponenten und Materialien können auch an andere Unternehmensbereiche oder Werke verkauft oder dorthin umgelagert werden.

Erweiterte Planungssysteme bieten eine weitere Möglichkeit, Materialbedarfe mit einer anderen Planungsmethodik zu ermitteln. Sowohl die erweiterten Planungssysteme als auch die Materialbedarfsplanung berechnen die Materialien und planen die Herstellung von Produkten ein. Die Materialbedarfsplanung ist die Berechnungsmethode im Kern der meisten ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning). Sie erstellt Pläne auf Basis von Prognosen und geht von infiniten Ressourcen wie Kapazität aus. Erweiterte Planungssysteme können Materialien und Zeitpläne planen, berücksichtigen aber auch Einschränkungen wie begrenzte Produktionskapazitäten in Fertigungsprozessen (z. B. Lackierung, Wärmebehandlung und Tests). Erweiterte Planungssysteme erstellen anhand dieser Einschränkungen einen Plan, der in der erforderlichen Zeit ausgeführt werden kann.

Die kumulierte Materialvorlaufzeit ist die Gesamtzeit, die für die Herstellung eines Produkts aufgewendet werden muss. Auf der Basis der Stückliste des Produkts berechnet sie die maximale Zeit, die für die Beschaffung von Rohstoffen und Komponenten aus externen Quellen, für die Montage von Unterkomponenten und für die endgültige Fertigung des Produkts und die Tests benötigt wird. Diese maximale Zeit zum Abschließen des gesamten Prozesses ist die kumulierte Materialvorlaufzeit.

Kanban ist eine manuelle Materialverwaltungstechnik, bei der ein physisches Signal wie eine Karte, ein Tag oder ein leerer Lagerplatz verwendet wird, um den Nachschub anzustoßen. Kanban (das japanische Wort für „Karte“) wird in erster Linie eingesetzt, um Teile an die Verbrauchsstellen innerhalb eines Werks zu bewegen. Die Technik wird aber auch genutzt, um die Produktion in einer Beschickungslinie oder einer spezialisierten Fabrik anzustoßen, Bestellungen oder Abrufe für eingekaufte Teile und für andere Lieferkettenverwendungen zu initiieren. Moderne ERP-Softwaresysteme können eine elektronische Kanban-Funktion beinhalten.

DDMRP arbeitet mit und innerhalb der herkömmlichen Materialbedarfsplanung und ersetzt den „Push“-MRP-Nachschubprozess durch eine visuell orientierte, bedarfsgesteuerte „Pull“-Methode für strategisch wichtige Teile. Die Materialbedarfsplanung wickelt weiterhin ihre Planungsprozesse und den Nachschub nicht strategischer Teile ab. DDMRP dient dazu, Änderungen bei der Nachfrage zu handhaben, und ist ein optionales Add-on von ERP-Lieferanten.

Die Kundeneinzelfertigung ist eine Vertriebs- und Fertigungsstrategie, bei der Kundinnen und Kunden das Produkt während des Verkaufsprozesses an ihre Wünsche anpassen können. Beispiele sind maßgefertigte Küchen oder Fahrzeuge der Luxusklasse. Die Fertigung des Endprodukts beginnt erst nach Eingang des Kundenauftrags. Deshalb können sich Hersteller in der Kundeneinzelfertigung nicht auf Prognosen verlassen. Da alle Produkte in der Kundeneinzelfertigung kundenspezifisch sind, ist die Vorlaufzeit für die Lieferung länger als bei Produkten, die vorgefertigt und aus dem Bestand versendet werden. Tools wie DDMRP und erweiterte Planungssysteme sind hilfreich, weil sie auf schwankenden Bedarf reagieren und zu einer schnelleren Lieferung von Produkten beitragen.

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